100 Jahre Internationaler Frauentag – wo bleiben
Geschlechtergerechtigkeit und Emanzipation?
Als vor 100 Jahren der Internationale Frauentag in Kopenhagen auf dem Kongress der Sozialistischen Frauen-Internationale auf Vorschlag von Clara Zetkin beschlossen wurde, standen Frauenwahlrecht, Frieden und Frauenerwerbsarbeit auf der Agenda für Frauenbewegungen und engagierte Frauen.
Millionen Frauen gingen weltweit auf die Straße und demonstrierten für ihre Rechte. Viele von ihnen träumten vom Frauenwahlrecht als Mutter aller gleichstellungspolitischen Erfolge und waren der Überzeugung, dass ohne Frieden nichts ist. Heute wird das 20. Jahrhundert als Jahrhundert des Feminismus gefeiert. Daran haben die Erste und Zweite Frauenbewegung in Deutschland, Europa, aber auch weltweit ihren Anteil.
Geschlechtergleichstellung war und bleibt jedoch eine gesellschaftliche Machtfrage, die gerade im frauenpolitischen Entwicklungsland Deutschland immer noch nicht zugunsten einer geschlechterparitätischen Demokratie entschieden worden ist. Zu Recht sehen die Gender-Rankings von UNDP und Weltwirtschaftsforum Davos unter den zehn Staaten, die gleichstellungspolitisch Spitze sind, die nordischen Staaten mit ihren eher egalitären Gesellschaftsmodellen vorn.
Sie bewerten die auch von Frauen für besonders wichtig gehaltene Kategorien wie Gleichstellung im Erwerbsleben, Zugang zu Bildung und Gesundaber überwiegend alsheit, Gleichstellung in politischen Entscheidungsfunktionen.
Die Emanzipation und die Gleichheit, zwei ungleiche Schwestern, die einander bedingen, prägten die frauenpolitischen Auseinandersetzungen über Jahrzehnte wie auch die symbolische Forderung nach Brot und Rosen, nach gleichem Lohn und gleicher Arbeit, nach Anerkennung und Würdigung weiblicher Leistungen. Eigentlich hat die Globalisierung diese Forderungen in ihrer Bedeutung verschärft. Frauen sind nicht gleichberechtigt beteiligt. Die neoliberale Wirtschaftspolitik, die Finanz- und Wirtschaftskrise gefährden zudem gleichstellungspolitische Errungenschaften, wenn Frauen zwar Schlüssel für Wachstumserfolge von Volkswirtschaften werden, aber dies überwiegend als „working poor“, die kein Auskommen mit ihrem Einkommen haben. Menschenwürdige Arbeit wird vielen Frauen bis heute versagt. Und Frauen bleiben auf Grund ihres Geschlechts besonders verwundbar. Das zeigt sich in der Arbeitswelt, das zeigt sich an den Abtreibungsdebatten und um das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frau, aber auch in den vielen Gesichtern von Gewalt gegen Frauen, ein Menschenrechtsskandal, der unterbunden werden muss. Trotz 100Jahre Internationaler Frauentag gibt es sexualisierte Gewalt gegen Frauen als Kriegswaffe in den vielen Bürgerkriegen, gibt es Genitalverstümmelung, Zwangsprostitution und Frauenhandel. Und es gibt die alltägliche häusliche Gewalt, die jede vierte Frau trifft. Frauen- Menschenrechte und das Recht auf körperliche Integrität sind Grundvoraussetzung für Geschlechtergerechtigkeit. Geschlechterungerechtigkeit aber ist auch heute noch die soziale Ungleichheit, die die zwischenmenschlichen Beziehungen am stärksten prägt.
100 Jahre Internationaler Frauentag lädt ein zu Nachdenken und Aktion. Auch wenn die Frauenbewegungen weltweit ein wenig müde geworden sind, Frauennetzwerke und viele Frauen weben weiter, damit Geschlechtergerechtigkeit und gleichberechtigte Teilhabe der Frauen an allen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftspolitischen Entscheidungen gelebter Alltag wird.
Professor Dr.h.c. Christa Randzio- Plath,
1. Vorsitzende Landesfrauenrat Hamburg